„Lacht kaputt, was euch kaputt macht“

Ingo Appelt (56) steht seit nahezu 35 Jahren auf der Bühne und polarisiert mit seiner Art von Humor. In Essen geboren landet er im Alter von elf Jahren in Würzburg und wächst dort auf. Er verlässt die Hauptschule in der 9. Klasse und absolviert eine Lehre als Maschinenschlosser. Seinen ersten Auftritt hat er 1989 bei der Gewerkschaftsjugend und startet ein Jahr später seine Karriere, als er Oskar Lafontaine beim Bundestagswahlkampf begleitet. Bereits drei Jahre später wird er beim „Köln Comedy Festival“ als größter Newcomer gefeiert. Danach ist er Dauergast in diversen TV-Shows. Seit Oktober 2014 ist Ingo Appelt, der 2015 mit dem Deutschen Comedypreis ausgezeichnet wird, Moderator der BR-Sendung „Kabarett aus Franken“.

Derbe und deftige Sprüche, eine diabolisch anmutende Frisur und manchmal ein Gesichtsausdruck wie Jack Nicholsen im Horrorklassiker „The Shining“: Das verbinden viele Menschen mit Ingo Appelt. Jetzt sind Sie scheinbar etwas gemäßigter unterwegs. Werden Sie etwa altersmilde?
Nein! Ich bin nicht gemäßigter unterwegs. Um Gottes Willen, wer sagt denn so etwas! Es kommt natürlich immer eine gewisse Altersweisheit hinzu, so dass man nicht mehr ganz so pubertär auf die Kacke haut, wie man es früher gemacht hat. Aber ich mag das gerade in diesen Zeiten, in denen es wieder heißt „Sag das nicht, mach das nicht, tu das nicht, trink das nicht, kauf das nicht“, da fühle ich mich natürlich herausgefordert du denke mir: „Jetzt erst recht, ihr Säcke!“.


2000 hatten Sie ihre eigene TV-Show. Diese wurde wegen „ge
schmacklicher Entgleisung“ abgesetzt. Danach folgte ein Absturz. Hat Sie dies zum Umdenken veranlasst?
Man muss sich dann schon ein bisschen umorientieren, muss dabei aber natürlich auch gucken, dass man sich treu bleibt. Es ist wichtig, dass man weitermacht. Ich habe einfach dieses Durchhaltevermögen, so dass ich mir damals einfach gesagt habe „weitermachen, weitermachen, weitermachen“. Und jetzt bin ich halt wieder da.

Comedy oder Kabarett oder beides? Wie würden Sie das beschreiben, was Sie machen?
Also das, was ich mache, ist eigentlich eher eine Form von verbaler Aggressionstherapie. Ich nenne das auch „Betreutes Hassen mit Ingo Appelt“. Einfach mal so ein bisschen den inneren Schweinehund spazieren führen und mal alles rauslassen. Nach der Pandemie, in dieser Zeit, in der alles furchtbar ist und wo man so vorsichtig sein muss, da mache ich genau das, was verlangt und gebraucht wird. Es gibt in Berlin sogenannte Crash-Rooms, da bekommt man einen Baseballschläger und kann eine Büroeinrichtung zertrümmern, das läuft momentan wie geschnitten Brot. Vor allem Frauen gehen dahin, die machen 80 Prozent der Kundschaft aus.

Comedy oder Kabarett oder beides? Wie würden Sie das beschreiben, was Sie machen?
Also das, was ich mache, ist eigentlich eher eine Form von verbaler Aggressionstherapie. Ich nenne das auch „Betreutes Hassen mit Ingo Appelt“. Einfach mal so ein bisschen den inneren Schweinehund spazieren führen und mal alles rauslassen. Nach der Pandemie, in dieser Zeit, in der alles furchtbar ist und wo man so vorsichtig sein muss, da mache ich genau das, was verlangt und gebraucht wird. Es gibt in Berlin sogenannte Crash-Rooms, da bekommt man einen Baseballschläger und kann eine Büroeinrichtung zertrümmern, das läuft momentan wie geschnitten Brot. Vor allem Frauen gehen dahin, die machen 80 Prozent der Kundschaft aus.

Halten Sie der Gesellschaft den Spiegel vor, in den sie nicht gerne sehen will?
Nee, dass eigentlich nicht, das ist so etwas Kabarettistisches. Wie gesagt, ich mach ja eher Aggressionstherapie und ein bisschen Abstiegsbegleitung für Männer. Denn um die geht es ja immer wieder. Es geht um die schwindenden Privilegien der alten weißen Männer, die so gekränkt sind, weil sie jetzt gendern müssen und kein Fleisch mehr essen dürfen. Weltweit haben wir ja ein Problem mit gekränkten männlichen Egos, und ich versuche mich da so ein bisschen als Abstiegsberater zur Seite zu stellen und zu sagen „Wenn ihr das jetzt schlimm findet, freut euch auf die Zukunft, weil da wird es wahrscheinlich noch schlimmer.“ Das ist in erster Linie mein Auftrag – lacht kaputt, was euch kaputt macht.

Parodien von Prominenten wie Helmut Kohl, Norbert Blüm, Gerhard Schröder, Michael Mittermeier, Til Schweiger, Udo Lindenberg und Herbert Grönemeyer gehören auch zu Ihrem Repertoire. Wie und wann haben Sie ihr Talent dafür entdeckt?
Das kam ganz zufällig. Ich habe ja bei Siemens gelernt, da war ich Jugendvertreter und habe Seminare gemacht. Bei den Abschlussabenden habe ich dann gerne den Ausbilder parodiert. So ging das eigentlich los. Das war 1983.

In der Ankündigung Ihres neuen Programms „Startschuss – Auf die Kacke, fertig, los!“ heißt es, dass Sie die Frauen feiern und das Matriarchat fordern, jetzt. Was steckt dahinter?
Das Matriarchat ist ganz wichtig. Ich habe mir das bei unseren Freunden, den Bonobos angeguckt. Bei denen regieren die Frauen, und die sind friedlich. Bei denen setzt das Weibchen ihre Sexualität ein, um das Männchen zu deeskalieren, die sieht das Testosteron-Monster und sagt sich, bevor der mir irgendeine Scheiße baut, entschärfe ich den lieber am Zünder. Das finde ich eine gute Idee.

Sie haben eine politische Vergangenheit – und Gegenwart. Sie waren lange Zeit aktiver Gewerkschaftler und sind seit über 35 Jahren Mitglied in der SPD. Wie lange noch?
Ich bleibe bis zum Schluss drin. Ich bin einer von den Hartnäckigen, Loyalen. Wenn ich mich einmal für etwas entschieden habe, dann bleibe ich auch dabei. Ich fahre auch immer noch dieselbe Automarke, trinke immer dieselbe Milch. So ein bisschen treu halt. Ich bleibe bei der SPD, ich brauche auch nichts anderes, da ist ja alles drin. So zerstritten, wie die SPD ist, da brauche ich keine anderen Parteien. Jede Meinung, die es gibt, ist in der SPD vertreten. Das reicht mir.

Was macht Sie glücklich?
Meine Frau macht mich sehr glücklich. Wenn wir Zeit miteinander verbringen können, ist es immer sehr schön. Ich muss leider immer viel arbeiten und bin wirklich viel unterwegs. Umso schöner ist es dann aber, wenn man nach Hause kommen kann, zu einer Frau, die man liebt. Das ist toll.

Was nervt Sie?
Dieser Zeitgeist gerade nervt mich so ein bisschen. Dass alle so unzufrieden sind, dass Krieg herrscht, dass man gedacht hat, die Dinge sind schon längst vorbei und jetzt ist es doch nicht so. Und dann kommt auch noch der Klimawandel hinzu! Man hat so ein bisschen das Gefühl, dass der Weltuntergang jetzt wirklich nah ist. Und das macht schon schlechte Stimmung. Aber dafür bin ich ja da. Und dann wird zumindest bei meinem Publikum die Laune wieder besser.

Haben Sie eigentlich ein dickes Fell? Schließlich sind nach Ihren Auftritten Shitstorms vorprogrammiert.
Also entweder man hat ein dickes Fell oder man schaut einfach nicht so genau hin. Ich bin zum Beispiel kein großer Nutzer von Social Media. Denn das ist natürlich eine der größten Hass-Maschinerien. Ich bin Gegenwind auch gewohnt, weil ich aus der politischen Arbeit komme. Du sagst „Hü!“ und in dem Moment schreit schon ein anderer „Hott!“. Das ist da gang und gäbe. Das ist da völlig normal.

Gibt es einen Ort, an dem Sie besonders gerne auftreten
Ja, natürlich hier in Berlin in den Wühlm.usen! Allein schon, weil ich hier wohne, da gehe ich dann mal eben raus und kann nach der Show wieder nach Hause. Das ist immer sehr schön. Ich bin allerdings auch immer wieder gern im Ruhrgebiet unterwegs. Und natürlich auch in Westfalen-Lippe, denn das ist die Region, wo man hinmuss. Denn es gibt ja nichts Schöneres.

Sie haben einen Namensvetter, den österreichischen Bobfahrer Ingo Appelt, der 1992 Olympiasieger im Viererbob wurde. Hat das schon mal für Verwechselungen gesorgt, beispielsweise bei Einladungen oder Autogrammwünschen?
Nein, das nicht. Uns kann man schon sehr gut auseinanderhalten. Aber ich habe den anderen Herrn Appelt auch schon mal kennengerlernt, denn der war mal mit mir zusammen bei „Wetten, dass..?“ und dann habe ich ihn nochmal getroffen, als ich zum Skifahren im Stubaital und mir Skier ausgeliehen habe. Als ich meinen Ausweis vorgezeigt habe, sagten die Angestellten, „Guck mal, das ist der Chef.“ Da hatte ich zufällig den Verleih von Ingo Appelt erwischt, um meine Ausrüstung auszuleihen. Das war schon lustig.

Stimmt es, dass Sie eigentlich Konditor werden wollten?
Das war das Ergebnis eines Tests vom Arbeitsamt, den ich damals in der Schule gemacht habe, als ich 14 war. Und da kam bei mir Konditor raus. Ich habe auch tatsächlich gern Pralinen gemacht und die an die Mädels verschenkt. Das fand ich schön, allerdings haben mich die Arbeitszeiten eines Konditors dann doch zu sehr abgeschreckt. Und so bin ich bei Siemens gelandet.

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